Lasst uns den Mut finden, uns anderen zuzumuten!
Insbesondere in meiner Begleitung von Frauen zeigt sich immer wieder, wie viel Angst viele von uns haben, zu den eigenen Bedürfnissen zu stehen.
In den letzten Jahrzehnten hat sich im weiblichen Kollektiv der westlichen Welt ein ungesundes Muster gebildet. Dieses Muster schafft das Bild einer Frau, die alles stämmen kann. Eine Frau, die stark ist, die sich in einer maskulin geprägten Gesellschaft behaupten und mithalten kann. Eine Frau, die leisten kann, die alles kann, was ein Mann kann und keinen Mann braucht. Eine Frau, die alles alleine schafft. Das hat viele Frauen sehr maskulin und hart gemacht. Und es hat dazu geführt, dass viele weibliche Bedürfnisse in uns Frauen unbefriedigt bleiben.
In meiner Arbeit werde ich Zeugin des tiefen Schmerzes, der aus dieser Unterdrückung unserer weiblichen Qualitäten entspringt. Wir Frauen sind nicht wie Männer. Wir sind anders. Wir haben andere Stärken und andere Schwächen. Und wir haben oft andere Bedürfnisse.
Viele meiner weiblichen Klienten – und ich ebenso – haben ein starkes Bedürfnis nach Sicherheit. Wir wünschen uns einen Mann, der uns den sicheren Raum bietet, in dem wir auch unsere Sanftheit, Weichheit und Kreativität leben können. Einen Raum, in dem unser Herz offen und empfänglich in seinem eigenen Rhythmus schlagen kann. Damit das möglich ist, müssen wir zu unserer Verletzlichkeit, zu unseren Wünschen und Bedürfnissen stehen. Wenn wir stark sein wollen, indem wir zu unabhängig werden oder wir so tun, als ob wir nichts brauchen, schaden wir uns selbst.
Es geht darum die innere Stärke zu entwickeln, die uns erlaubt, zu unseren Bedürfnissen zu stehen und sie zu kommunizieren auch dann, wenn sie vielleicht nicht immer erfüllt werden oder nicht genau so, wie wir es uns vorgestellt haben. Dabei geht es nicht darum zu erwarten, dass uns jemand all unsere Bedürfnisse erfüllt. Das kann niemand. Und niemand MUSS unseren Bedürfnissen dienen. Aber wir sollten anderen doch die Entscheidung selbst überlassen, was sie für uns tun wollen und was nicht. Und dazu müssen wir eben erstmal sagen, was wir brauchen.
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